Kulturelle Bildung durch Kunst im öffentlichen Raum: Das Gläserne Atelier Braunschweig.
„Das Gläserne Atelier Braunschweig“ war nicht aus Glas. Das Wort „gläsern“ sollte wohl eher auf die Ziele hinweisen, die damals von den Künstlern verfolgt wurden. Es waren Ziele, die heute nichts von ihrer Aktualität verloren haben: Die Teilnahme an der Kulturellen Bildung durch Teilnahme an der Kunstpraxis in der Öffentlichkeit.
Diese Initiative der Künstler Roland Oesker und Gerd Struwe war ganz auf eine Kunst bezogen, die auf eine aktuelle Präsenz in öffentlichen Räumen gerichtet war. Das eigentliche Ziel war nicht die Herstellung von materiellen Kunstobjekten, sondern eine soziale Interaktion vieler Menschen als Kunstwerk. Dabei wurden neue Wege beschritten und ungewöhnliche Formen gewagt. Das unvorhersehbare Ereignis war wichtiger, als das Gelingen einer geplanten Gestaltung. Die Wertigkeit jedes Werkes und jede Kunstpraxis erfüllte sich gezielt in einem zeitlichen und räumlichen Kontext. Die Fachwelt fasste vieles, was in dieser Zeit in diesem Sinne geschah, mit dem Schlagwort „Kontext-Kunst“ zusammen. Zu Beginn der 80iger Jahre war das Stichwort noch “ Kunst im öffentlichen Raum als soziokulturelle Animation“. Heute könnte man die Arbeitsweise in den Aktionen im Gläsernen Atelier Braunschweig mit dem Kürzel MOC bezeichnen, also ein „Massive Open Course“ der Kulturellen Bildung. Viele Menschen konnten sich aktiv in einen gestalterischen Lernprozess einbringen und ein aktuelles Thema bearbeiten.
In diesem Sinn gab es das besondere Merkmal der gesellschaftlichen Partizipation als forschendes Lernen mit künstlerischen Mitteln. Die Künstler leisteten mit ihrer Arbeit eine Vorbereitung für die aktive Teilnahme an den vielfältigen Entscheidungen des kommunalen Lebensraumes, sie erzeugten eine kommunale Bildungslandschaft für den Teilnehmer eines Kunstprozesses. Künstlerische Prozesse schafften einen speziell dafür aufbereiteten öffentlichen Raum, um diese Partizipation zu ermöglichen.
Wer wurde mit diesen Möglichkeiten erreicht? Der öffentlicher Raum war schon der gesamte Rahmen in dem die Kunstaktion sich ereignete. Zu den öffentlichen Plätzen gehörten daher auch die Medien, die für diese Formen der lokalen Ereignisse zu interessieren waren. So wurden zuerst die Menschen erreicht, die zu diesem Informationsrahmen gehörten. Zeitungsartikel und Rundfunkbeiträge, Plakate und Faltblätter informierten die kulturell Interessierten. Einige Aktionen konnten durch die Unerstützung des Braunschweiger Verkehrsvereins stattfinden. Eine Aktion kam durch die Einladung zum Göttinger Kunstmarkt zustande. Eine Ausstellung der Aktivitäten des Gläsernen Ateliers wurde durch die HBK- Kunsthochschule Braunschweig , und eine weitere durch die Einladung der Stadt Braunschweig im Rathaus der Stadt durchgeführt. 18.7. – 3.8. Ausstellung. „agieren – reagieren. das gläserne atelier“. Studiogalerie der HBK
Die weiteren wichtigen Zielgruppen waren durch die Wahl der Aktionsorte und durch die Themenschwerpunkte zu erreichen. Kulturelle Diversität, heterogene Gruppen, die gleichzeitige Einbindung von bildungsnahen und bildungsferne Sozialisationen sind Stichworte, die man benutzen kann um das Publikum, um die Besucher des Gläsernen Ateliers zu kennzeichnen. Ganz besonders aufmerksam war man gegenüber den unterschiedlichen Altersgruppen, gegenüber den gemeinsamen und den unterschiedlichen Interessen, die aus dem breiten Altersspektrum resultierten.
Die Besucher und die aktiven Teilnehmer einer Aktion im Gläsernen Atelier waren einerseits Passanten, die mehr oder weniger zufällig auf dem Aktionsplatz erschienen, andererseits waren es auch Personen, die durch Medien, Plakate, Zeitung und Rundfunk informiert wurden. Hinzu kamen die vielen Kinder und Jugendliche, für die der Stadtraum, also der Aktionsort ein selbstverständlicher Lebensraum, Spielraum und sozialer Bezugsraum war. Die Analyse dieser und vieler weiterer Gegebenheiten gehörte zu den notwendigen Vorbereitungen jeder Kunstaktion. Es war eine Kunst, in der die Arbeiten mit einer Orientierung am Urbanen, am Architektonischen, am Sozialen entstand, also am und im Kontext der ästhetischen Gegebenheiten entstand. Es waren die Gegebenheiten, es war der Kontext, in dem das Werk sich auch mit einer Wirkungsgeschichte entfaltete. Diese Kunst konnte ohne diesen Kontext in dem sie entstand nicht wirksam werden. Das Gläserne Atelier Braunschweig beteiligte sich mit seinen Aktionen an einer Entwicklung, die bis heute andauert.
Neue Wege kultureller Bildung und Kunst der Straße
Fluxus, Happening, Performance und Enviromental Art sind einige Begriffe, die gut in die Zeit der Aktionen im Gläsernen Atelier passen. aber für die Künstler und „Lernfeldorganisatoren“ im Gläsernen Atelier waren diese Begriffe schon etabliert. interessanter war da schon die Vorstellung von der Teilnahme vieler Menschen an den aktuellen Veränderungen. Daher war die Mitmachaktion, die Animation zur Handlung ein Anliegen der Kunst. Die Partizipation als Bestandteil und als Folge der Kunstaktion war der spannende Gedanke. Die Kunst ereignete sich auf der Straße der Stadt und veränderte die Straßen der Stadt, Street-Art und Urban-Art war die Befreiung von der etablierten Avantgarde und auch ein Finden neuer Sozial-Räume und Sozial-Medien für die Kunstpraxis. Die Kunstaktion wurde dadurch zu einem Sozialmedium des informellen Lernens für die Künstler und alle Mitakteure. Der Körper in der Aktion war eine Entdeckung der Avantgarde der 70iger so war der Körper als Teil des Kunstwerkes in der Aktion, in der Bewegung die einen Kunstraum definiert ein besonderes Anliegen der Kunst Anfang der 80iger Jahre. Zu dieser Entwicklung gehörte die Verbindung von Raum und elektronischem Bild. Videokunst in Verbindung mit dem Begriff Kunstinstallation sind hier die Ausdrucksformen. Neue Wege und Formen wollte hier das Gläserne Atelier Braunschweig mit der Verknüpfung des Computerbildes mit der Aktionsplastik als Kunstinstallation erreichen. Das Computerbild war in seiner Symbolkraft ein Ausdruck der Entwicklung des Bildes und des Bildgebrauchs im Zeitalter der Information und Kommunikation. Die höchste Form der technischen Entwicklung zu nutzen, bedeutete auch einen Schritt in die konkrete Utopie zu wagen.